Literarische Tipps: ganz subjektiv und leidenschaftlich!
Hier können Sie sich jederzeit neue Inspiration holen. Sie haben Lust, etwas zu lesen, aber gerade keine Idee? Dann probieren Sie doch eines der Bücher aus unseren Lesetipps.
Von Sibylle Zimmermann mit großer Lesebegeisterung zusammengestellt und laufend erweitert.
Bücher, die grade nicht in aller Munde und in allen Literaturkritiken zu finden sind.
Buchtipps für den Sommer
Hier ein paar wunderbare Fundstücke, die zu lesen ich unbedingt empfehlen möchte!
Underground Railroad
Von Colson Whitehead, Fischer Taschenbuch
Zum Inhalt
Unglaublich spannend!
Ausgezeichnet mit dem National Book Award und Pulitzer Prize, stand Underground Railroad ein Jahr ununterbrochen auf der New York Times-Bestsellerliste.
Und das kann ich wirklich nachvollziehen, denn selten hat mich ein Buch so in seinen Bann gezogen!
Ein unglaubliches Abenteuer, eine unglaubliche Zeit und ein Fluchtnetzwerk für Sklaven, von dem ich bis dato nie gehört hatte: eine Bahn, die unter der Erde unterhalb mehrerer Staaten verlief und Sklaven bei ihrer Flucht half. Diese Bahn gab es tatsächlich und half in den Jahren zwischen 1810 und 1860 tausenden von Sklaven auf ihrer Flucht aus dem amerikanischen Süden nach Norden.
Auch die Protagonistin des Romans, Cora, eine schwarze Sklavin, die unter unmenschlichsten Bedingungen lebt, probiert die Flucht und nutzt das geheime Netzwerk der Underground Railroad. Ein grausamer Kopfgeldjäger verfolgt sie auf ihrem verzweifelten Weg.
Sie auf dieser Flucht zu begleiten ist absolut atemberaubend.
Wenn man ein Buch sucht, das ein wirklicher Pageturner ist und trotzdem Niveau hat, kann ich diesen Roman wirklich empfehlen!
Zum Autor
Colson Whitehead, geboren 1969 in New York, studierte in Harvard und arbeitete als Journalist und Fernsehkritiker. Für seinen Roman „Underground Railroad“ wurde er mit dem National Book Award 2016 und dem Pulitzer-Preis 2017 ausgezeichnet. Auch für „Die Nickel Boys“ erhielt den Pulitzer-Preis.
Alligatoren
Von Deb Spera, HarperCollins
Zum Inhalt
Ein unsentimental geschriebener Roman mit enormer Sogwirkung.
Drei Frauen, die um ihre Würde und ums Überleben kämpfen. Da ist Gertrude, deren vier Töchter seit Tagen nichts gegessen haben und die eine Entscheidung trifft, die ihren nichtsnutzigen Ehemann für alle Zeiten aus ihrem Leben kickt. Annie, die Plantagenbesitzerin wähnt sich gut verheiratet, bis sie eines Besseren belehrt wird. Und Oretta, Annies schwarze Haushälterin, die die kranke Tochter von Gertrude bei sich aufnimmt, um sie vor dem Tod zu retten. Der Roman spielt 1924 in South Carolina, im Amerika der Wirtschaftskrise, des Hungers und der Armut, einer Zeit, in der jeder schauen muss, wo er bleibt. Und dennoch schließen sie sich zusammen, helfen einander, denn sie alle haben eines gemeinsam: eine große Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung
Kein Wohlfühlroman, aber ein Mitfühlroman und auch wenn einem die wirklich harten Umstände, unter denen die Frauen sich durch ihr Leben kämpfen, sehr nahe gehen, ist man am Ende optimistisch. Denn der Mut der Frauen und ihr Zusammenhalt sind am Ende eben doch stärker als all die bösen Mächte. Ach, und was die Alligatoren angeht: es ist eine Alligatorin, eine Mutter, die einen entscheidenden Schritt im Roman macht. Und auch wenn man ihr nicht gerne begegnen möchte, könnte man sie eigentlich zu dem Bund der drei Frauen dazuzählen.
Zur Autorin
Deb Spera wuchs in Louisville, Kentucky, auf. Sie besitzt das TV-Produktionsunternehmen One-Two Punch Productions, das zahlreiche erfolgreiche Serien wie Criminal Minds, Army Wives, etc. produziert. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern in Los Angeles. Der Roman „Alligatoren“ ist ihr erster Roman und hoffentlich nicht ihr letzter!
Was Deb Spera zu ihrem Roman sagt: „Veränderung kann entstehen, wenn wir unsere Kräfte vereinen. Das ist es, was Retta, Gertrude und Annie im Laufe des Buches zu verstehen beginnen. Keiner von uns hat eine Ahnung davon, was andere ihr Leben lang mit sich herumtragen. Wenn wir im Hinterkopf behalten können, dass wir alle Trauer erlebt haben, dann können wir uns vielleicht als Freunde begegnen statt als Feinde. Ich kenne niemanden, der ein schreckliches Trauma ganz alleine verarbeiten könnte. Wir brauchen einander. Die metoo-Bewegung wurde durch die Erkenntnis ins Leben gerufen, dass beinahe jede Frau eine Geschichte davon erzählen kann, wie sie von einem Mitglied des anderen Geschlechts misshandelt oder missbraucht wurde. Wenn man wie ich daran glaubt, dass jede Generation ein Echo hinterlässt, dann werden meine Töchter oder die Töchter meiner Töchter vielleicht in einer Zeit leben, in der Gleichberechtigung nicht einfach ein Anspruch ist – sondern eine Tatsache.“
Sklaven der Einsamkeit
von Patrick Hamilton, Goldmann
Zum Inhalt:
Ein Gesellschaftsroman in England während des zweiten Weltkrieges: böse und berührend!
Die Protagonistin, Enid Roach, muss aufgrund des bevorstehenden London Blitz, den Angriffen der deutschen Luftwaffe auf London, in die Provinz ziehen. Sie wohnt in einer kleinen Pension. Dort im Tearoom treffen sich die unterschiedlichsten Gäste und sie wird Opfer der Sticheleien des tyrannischen Mr. Thwaites und seiner Helferin Vicky Kugelmann. Eine beengte Welt, in der ein kleiner, gemeiner Krieg entbrennt, während draußen auf der Bühne des Weltgeschehens der große Krieg stattfindet. Der Roman Hamiltons ist wunderbar satirisch und gleichzeitig sehr berührend, insbesondere wenn man Enid Roach in ihrer Verzweiflung begleitet.
Die Art wie Hamilton hier die kleine Welt zeigt, die die Große spiegelt, mit ihren alltäglichen zwischenmenschlichen Grausamkeiten ist meisterhaft! „Sklaven der Einsamkeit“ gehört für mich zu den seltenen literarischen Glückstreffern, die einem lange nicht aus dem Kopf gehen.
Zum Autor:
Patrik Hamilton (1904-1962) war bereits als junger Mann ein erfolgreicher Autor. Einige seiner Theaterstücke wurden verfilmt, darunter „Gaslicht“ und „Cocktail für eine Leiche“. Unter seinen Romanen sind „Sklaven der Einsamkeit und „Hangover Square“ die berühmtesten.
Die Marie vom Hafen
von Georges Simenon
Zum Inhalt:
Eine einzigartig kantige Liebesgeschichte!
Bei der Beerdigung ihres Vaters begegnet die 17-jährige Marie Le Flem dem Geliebten ihrer Schwester. Er ist mehr als doppelt so alt wie sie. Auf den ersten Blick erscheinen diese beiden Menschen so unterschiedlich wie Feuer und Wasser und entsprechend rau und holprig entwickelt sich diese Geschichte einer Brautwerbung.
Vielen ist der Autor als Urheber der beliebten Maigret-Krimis bekannt. Wer seine anderen Romane noch nicht kennt, sollte mit der „Marie“ anfangen.
Ein großartiger Roman, mit dem Simenon bewies, dass er zu den ganz großen Romanciers gehörte.
Er selbst sagte dazu: „Es ist der einzige Roman, der mir in einem vollkommen objektiven Stil geglückt ist“ und im Vorwort schrieb er: „Wenn es einem Autor gestattet ist, einen Wunsch auszusprechen, so lautet der meine, dass man mich nach der „Marie“ und dem „Weißen Ross“ bewertet.
Zum Autor:
Georges Simenon (1903-1989) war ein belgischer Schriftsteller, der vor allem für seine 75 Kriminalromane mit Kommissar Maigret berühmt wurde. Er verfasste aber außerdem noch weitere 100 Romane, darunter so wunderbare wie „Der Zug“, „Die Marie vom Hafen“ oder „Zum weißen Ross“. Er war ein absolutes Ausnahmetalent und beherrschte eine große Bandbreite vom Groschenroman bis zum literarisch anspruchsvollen Roman. Lange Zeit schrieb er unter dem Pseudonym Georges Sim.
Frankie
von Carson McCullers, Diogenes
Zum Inhalt:
Bildungsroman von einer der ganz Großen
Die Geschichte eines Reifeprozesses: Die 12-jährige Frankie, eine Außenseiterin und Halbwaise, befindet sich in der Übergangszeit vom Kind zum Teenager. Sie lässt sich durch die Straßen der Stadt treiben, langweilt sich. Ihr großer Bruder kehrt aus dem Krieg zurück und kündigt seine Heirat mit Janice an. Frankie ist wie besessen von dem Gedanken zu der Hochzeit zu gehen und danach zu ihrem Bruder und seiner Frau zu ziehen. Sie will zu den Erwachsenen gehören. Doch nach der Hochzeit reist das Brautpaar ohne Frankie ab, sie ruft ihnen verzweifelt nach: „Nehmt mich mit, nehmt mich mit!“
Die Autorin nimmt uns mit in die Welt von Frankie, lässt uns ihre Einsamkeit und Sehnsucht nach Zugehörigkeit schmerzhaft mitempfinden.
Mir hat unter den großartigen Büchern von Carson McCullers Frankie am besten gefallen. weil es sich anders als die anderen vor allem auf eine Person konzentriert und den Leser perfekt hineinzieht in diese so andere Welt, dass man am Ende selbst am liebsten dem Brautpaar hinterher rufen möchte „Nehmt mich mit!“
Weitere Romane der Autorin, die ich in einem Rutsch begeistert gelesen habe, sind: „Das Herz ist ein einsamer Jäger“, „Die Ballade vom traurigen Café“ oder „Spiegelbild im goldnen Auge“. An dieser Stelle auch einmal ein dickes Lob an den Verlag, die Bücher sind von Diogenes liebevoll aufgemacht und auf dem Cover mit Bildern von Edward Hopper versehen, was zu der Einsamkeit von Mc Cullers Figuren einfach perfekt passt.
Ich muss gestehen, dass ich Carson McCullors erst vor kurzem entdeckt habe. Eine jener seltenen Entdeckungen, von denen man sich wünscht, man hätte sie schon viel früher gemacht!
Zur Autorin:
Carson McCullers, (1917-1967) gilt als eine der größten amerikanischen Schriftstellerinnen. Anerkannt von den ganz Großen ihrer Zeit wie kein anderer Autor. Unter ihren zahlreichen Bewunderern waren William Faulkner, Graham Greene, Tanja Blixen, Klaus Mann, Heinrich Böll und viele weitere.
Ihr Leben war schon früh von schwerer Krankheit geprägt, sie bekam bereits mit 23 Jahren den ersten von mehreren Schlaganfällen und daher blieb der Umfang ihres Werkes eher schmal. Zu ihren viel gerühmten Romanen gehören neben „Frankie“ auch „Das Herz ist ein einsamer Jäger“, „Die Ballade vom traurigen Café“, „Spiegelbild im goldnen Auge“ und „Uhr ohne Zeiger“.
Tennessy Willimas schrieb einst. „Carson McCullers erkundete das menschliche Herz wie kein anderer“.
Aufschneider
von Susanna Moore, rororo
Zum Inhalt:
Ein böser Großstadtthriller – außergewöhnlich, erotisch, schonungslos
Ein Ausnahme-Thriller, der mich aufgrund seiner sprachlichen Intensität begeistert hat. Die Geschichte spielt in New York City. Die Englischlehrerin Frannie beobachtet, als sie in einer Bar auf die Toilette gehen will, in einem Raum eine Frau, die gerade einen Mann oral befriedigt. Kurz darauf wird eine Leiche entdeckt, es ist die Frau, die Frannie gesehen hat. Wenig später gibt es eine weitere Leiche, offenbar ist der Täter ein Serienmörder. Während sich Detective Malloy, der den Fall untersucht, und Frannie einander erotisch annähern, mutmaßt sie aufgrund einiger Zeichen, dass er vielleicht der Mörder ist. Gleichzeitig fühlt sie sich von ihm sexuell angezogen. Was folgt, ist in ungeheuer spannendes und erotisches Katz- und Maus-Spiel, mit einem unbarmherzigen Ende.
Das Buch wurde verfilmt („In the Cut“) von der wunderbaren Jane Campion, ein Film, der ebenso wie das Buch absolut ungewöhnlich ist. Damit aber die Zuschauer nicht gar zu entsetzt sind, wurde das Ende ein wenig gefälliger gemacht, was gut nachvollziehbar ist, denn das originale Ende des Buches lässt einen wirklich schockiert zurück.
Beide, Buch und Film, absolut empfehlenswert!
Zur Autorin:
Susanna Moore, 1945 geboren, wuchs in Hawaii auf. Sie arbeitete, bevor sie zu schreiben begann, als Model und Schauspielerin sowie als Script Reader, unter anderem für Jack Nicholson und Warren Beatty. Der Roman „Aufschneider“ ist ihr vierter Roman von bisher sechs Romanen. Heute lebt und arbeitet sie in New York City. Sie erhielt 1999 den Academy Award in Literatur.
Nacht für drei Hunde
von Peter Goldsworthy, dtv
Zum Inhalt
Eine Geschichte, bei der Australien, Leidenschaft, Aborigenes und ein bisschen Traumzeitpfade vorkommen, könnte so trivial sein wie unzählige Rote-Erde-Schmonzetten.
Ist sie aber nicht!
Es wird eine Dreiecksgeschichte erzählt, zwischen Martin, einem Australier, der, nachdem er Jahre in England zugebracht hat, in die Heimat zurückgekehrt ist, seiner Ehefrau Lucy und dem Jugendfreund, den er wieder trifft und der sich seltsam verhält. Bald wird klar, dass der ehemals beste Freund Felix sterbenskrank ist und das gibt ihm Freiheiten, die alle Beteiligten an ihre Grenzen bringen.
Felix bittet darum, Lucy, in die er sich offenbar auf den ersten Blick verliebt hat, zu einem Date nur zu zweit treffen zu dürfen und schon bald ist auch Lucy offensichtlich von Felix fasziniert.
Martin steht in dem Zwiespalt, seinem sterbenden Freund die paar letzten Wünsche im Leben nicht absprechen zu wollen und andererseits die Annäherung zwischen Lucy, die er mit großer Leidenschaft liebt, und Felix schier nicht aushalten zu können. Sie begeben sich gemeinsam mit ein paar Aborigines an einen besonderen Ort in der Wüste, ein letzter Wunsch von Felix, eine Reise, die von allen das Äußerste abverlangt.
Das Schöne an diesem Roman ist, dass er sich von allem Abgenutzten fern hält, und das obwohl Aborigenes vorkommen, die unvermeidliche australische Wüste mit ihren Traumzeitgeheimnissen und eine große Leidenschaft. Bei diesen Themen alle üblichen Klischees zu umschiffen und einen extrem spannenden, wilden und berührenden Roman zu schreiben, das muss man erst mal hinkriegen!
Zum Autor:
Peter Goldsworthy ist Australier, lebt und arbeitet als Schriftsteller und Arzt in Melbourne. In Australien ist er sehr anerkannt als Schriftsteller, ich finde wir sollten mehr von ihm lesen. Es gibt noch ein weiteres Buch von ihm, das ins Deutsche übersetzt wurde, „Maestro“, das steht auf meiner Leseliste.
Sommer in Maine
J. Courtney Sullivan, Deuticke Verlag
Zum Inhalt:
Wer seinen Urlaub noch vor sich hat: Dies ist der perfekte Schmöker, um am Strand gelesen zu werden. Ein Familienroman, der besonders Frauen gefallen dürfte.
Die Geschichte vierer Frauen wird aus den unterschiedlichen Perspektiven gezeigt. Da sind das Oberhaupt der Familie, die 83 Jahre alte Alice, ihre Schwiegertochter Ann Marie, ihre Tochter Kathleen und die Enkelin Maggie. Die Familie trifft sich schon seit langen Jahren jeden Sommer in einem Haus am Strand in Maine. Es werden Probleme, unverarbeitete Traumata, Zweifel und Träume jeder der Frauen gezeigt, Leserinnen erhalten einen Blick hinter die bröckelnden Fassaden. Die Autorin hat ihre Figuren trotz ihrer Schwächen mit viel Sympathie und Wärme gezeichnet.
Mir hat der Roman gut gefallen, so ein richtiger Urlaubsschmöker für den Sommer, leicht zu lesen, unterhaltsam, keine große Herausforderung, aber keineswegs trivial.
Zur Autorin:
J. Courtney Sullivan lebt in New York und arbeitet als Journalistin (New York Times, Chicago Tribune, Elle, etc.) und Schriftstellerin. Ihr Roman „Maine“, 2013 bei Deuticke auf Deutsch erschienen mit dem Titel „Sommer in Maine“, war in den TOP 10 der besten Bücher 2011 des Time Magazines.
Die Liebeshandlung
von Jeffrey Eugenides, Rowohlt
Zum Inhalt:
Eine Literaturstudentin, die viktorianische Romane mit dem typischen Marriage Plot (Originaltitel des Romans) liebt, ein junger Mann, der brillant, faszinierend, aber leider auch psychisch labil ist, und ein weiterer Mann, dessen Liebe zu der Studentin nicht erwidert wird. Das in etwa sind die Zutaten für den Roman des wunderbaren Autors Jeffrey Eugenides.
Schauplatz ist ein amerikanisches College in den 1980er Jahren.
Die Studentin, Madeleine, verliebt sich in den charismatischen Kommilitonen Leonard. Sie finden nach ein paar kleineren Hürden zusammen, aber die psychische Erkrankung Leonards, die im Übrigen sehr dicht und hervorragend beschrieben ist, macht die Beziehung schwierig.
Der Dritte im Bunde ist Mitchell, er ist in Madeleine verliebt und hofft darauf, dass sie eines Tages doch noch zusammen kommen. Er begibt sich auf Sinnsuche, reist durch Europa und bis nach Indien, wo er als Freiwilliger in einem Stift von Mutter Theresa arbeitet. Er kann aber Madeleine nicht vergessen.
Wie bei einem typischen „Marriage Plot“ stellt man sich die Frage, wer in dieser dramatischen Dreiecksgeschichte als Gewinner hervorgeht. Schaffen Madeleine und Leonard es, ihre Probleme zu überwinden oder schafft Mitchell es, Madeleine doch noch für sich zu gewinnen.
Ein Autor, der ein so umwerfendes Buch wie „Middlesex“ geschrieben hat, wird immer besonders hart auf dem Prüfstand mit seinen weiteren Büchern stehen. Und natürlich gab es einige kritische Stimmen, die bemängelten, dass dieses Buch die Qualität von „Middlesex“ nicht erreiche. Wenn man weiß, dass Eugenides an „Middlesex“ 12 Jahre geschrieben hat, scheint mir dieser Anspruch etwas vermessen.
Mir hat „Die Liebeshandlung“ sehr gefallen, Eugenides hat die Tradition der typischen Liebesgeschichten mit marriage plot aus dem 19. Jahrhundert wiederbelebt und ein wunderbares Buch geschrieben.
Zum Autor:
Jeffrey Eugenides bekam 2003 für seinen weltweit gefeierten Roman „Middlesex“ den Pulitzer-Preis. Sein Roman „Die Selbstmord-Schwestern“ wurde 1999 von Sofia Coppola verfilmt. (Absolut sehenswert, wie das meiste von Sofia Coppola). Wie so viele amerikanische Schriftsteller unterrichtet er Creative Writing an der Princeton University in New Jersey.
Verzauberter April
Elizabeth von Arnim, Insel Verlag
Zum Inhalt:
Ein amüsantes Lesevergnügen für Freunde der britischen Ironie.
Vier Damen, die sich alle vorher nicht kannten, mieten gemeinsam ein Castello in der Toskana, um dort die Ferien zu verbringen. Schon bald beginnt der Zauber der Landschaft auf sie zu wirken und sie verändern sich.
Der Roman spielt in den 1920er Jahren und wirkt teilweise entsprechend altmodisch. Außerdem wirkt er auch übertrieben, die vier Damen werden von der Schönheit der Natur, dem Klima und allen möglichen anderen Einflüssen in kürzester Zeit verändert und aus ihrem freudlosen Leben wird zügig ein glückliches. Mir gefiel diese ironische Überzeichnung und ganz besonders die herrliche britische Art, die Figuren zu zeigen, wie zum Beispiel die kleinen Machtkämpfe zwischen Mrs. Arbuthnot und der älteren Mrs. Fischer oder das Problem der Lady Caroline, die so bezaubernd ist, dass sie, selbst, wenn sie richtig wütend ist, noch anziehend auf ihr Gegenüber wirkt. (Und enorm darunter leidet.)
Ein Buch zum Schmunzeln und Genießen, zum Nachdenken über die oft unnötige Tristesse des Alltags, über die positive Kraft zwischen Menschen, über die unbedingte Notwendigkeit, hin und wieder einmal so richtig Urlaub zu machen und über den Zauber mediterraner Landschaften. Das alles fein gewürzt mit einer kräftigen Prise angelsächsischer Ironie.
Ein Lesevergnügen für warme Sommerabende, vielleicht bei einem Gläschen Sherry oder einem Gin Tonic.
Und: Nach der sehr vergnügten Lektüre von „Verzauberter April“ werde ich mir demnächst noch „Elisabeth und ihr Garten“ gönnen.
Zur Autorin:
Elizabeth von Arnim wurde 1866 bei Sydney geboren und wuchs in England auf. Sie heiratete einen preußischen Grafen, zog nach Berlin und auf ein großes Familiengut in Pommern. Dort entstand ihr erster Roman „Elisabeth und ihr Garten“. In den folgenden Jahren war ihr Leben ziemlich aufregend. Sie zog nach der Scheidung zurück nach England, dann in die Schweiz, nach Großbritannien und außerdem lebte sie teils in Italien und Südfrankreich. 1939 schließlich emigrierte sie in die USA und starb 1941 in Charleston.
Meine geniale Freundin
Elena Ferrante, Suhrkamp Verlag
Ich lese natürlich auch das, was gerade so in ist, und habe mich von allen vier Bänden von Elena Ferrantes Neapolitanischer Saga in ihren Bann ziehen lassen.
Ja, was soll man dazu sagen, jeder kennt die Bände und alle finden sie gut und alle reden davon. Daher von mir nur ein paar kleinere Bemerkungen am Rande für die Schriftsteller unter Ihnen: Abgesehen von vielen anderen interessanten Inhalten, ist es meiner Meinung nach vor allem die ungewöhnliche Freundin Lila, von der die Faszination der Bücher ausgeht. (So viel zum in unseren Jahreskurs häufig erwähnten Thema „Faszinierende Charaktere schaffen“.) Auch interessant: Die Cliffhanger am Ende jedes Bandes taten das, was Cliffhanger üblicherweise tun sollen, sie verkauften ruckzuck den Folgeband (im Urlaub lese ich immer E-Books und die sind mit zwei Klicks tatsächlich ruckzuck runtergeladen). Also liebe Schriftsteller: Cliffhanger nicht vergessen!
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